Mein Leben als Mensch — 27.11.2023

866_Heiße News aus Darmstadt

Jetzt ist es offiziell: Laura Winkler (23) ist die Darmstädter Glühweinprinzessin 2023. In dieser Funktion hat sie jüngst den Darmstädter Weihnachtsmarkt eröffnet. So lese ich es auf dem Weg an diesen schönen Ort. Was Prinzessin Laura im Rahmen ihrer Regentschaft noch so alles vorhat, ist nicht Gegenstand der Berichterstattung, aber vermutlich gehören Glühweinverkostungen dazu. Und sie muss manchmal Glühwein trinken. Wahrscheinlich gibt es dabei dann auch Glühwein. Der ganze Job wirkt ein wenig glühweinverhangen und macht auf mich den Eindruck, als sei er eine Erfindung der Glühweinlobby.
Jahrelang konnte ich Glühwein nicht ausstehen. Was nicht nur an der süßen Suppe an sich lag, sondern auch an den Bechern, den Ständen, der Musik und dem Weihnachtsmarkt drumherum. Fand ich alles scheußlich. Und alle Alternativen zum Glühwein ebenso. Es wird ja heute alles erhitzt, was irgendwie knallt. Würde mich nicht wundern, wenn bald blubbernder Eierlikör feilgeboten würde. Oder Glühbier. Und kaum schreibt man das auf, stellt man fest, dass es das tatsächlich beides bereits gibt. Genau wie erhitzter Aperol, Hugo, Caipirinha und Gin Tonic. Inzwischen habe ich zumindest mit dem Glühwein meinen Frieden gemacht. Eine Gesellschaft, die gemütlich und ohne Zorn zusammensteht, schlimme Musik hört und heiße Sangria säuft, mag ästhetisch verdächtig sein, sie ist aber auf jeden Fall friedlich und interessiert am sozialen Austausch. Der Weihnachtsmarkt ist unser deutsches Schlumpfhausen, und wer das nicht mag, der soll einfach einen Bogen darum machen.
Wobei dieser Bogen inzwischen schon ziemlich groß sein muss. Es gibt Städte, da stolpert man von einem Weihnachtsmarkt in den nächsten. Und manche Menschen fahren extra von weit her hin, um neue Spielarten der gastronomischen Bespaßung auszuprobieren. So wie die Dame im Zug nach Darmstadt. Sie sitzt mir gegenüber. Ihr Golden Doodle namens Berry befindet sich zur Hälfte unter und zur Hälfte auf meinem Platz, was mich nicht stört, weil er sehr freundlich guckt. Die Dame erzählt, dass sie „Foodie“ sei. Das ist eine furchtbare Bezeichnung für Leute, die gerne originell essen. Klingt irgendwie unappetitlich, so, als würden diese Leute Füße essen, aber egal. Sie befindet sich auf dem Weg nach Darmstadt, weil man dort besonders gut essen könne. Man habe dort Food Trucks aufgebaut.
Früher hießen die mal Imbisswagen. Food Trucks sind die Nagelstudios der mobilen Gastronomie. Wo man in der Innenstadt hinsieht, überall Nagelstudios und Food Trucks. In Darmstadt hat man sie zu einer Art Wagenburg gestellt. Auf diese Weise erhält der ganze spießige Weihnachtsmarkt etwas leicht woodstockiges, was auch am alternativen Angebot liegt. Es gibt dort afrikanisches Street Food aus Eritrea, neapolitanische Pizza, natürlich allerhand sonderbare vegane Hervorbringungen und fancy Süßspeisen. Die Frau erzählt mir von einem ganz neuen Flammlachs-Rezept, welches sie jüngst in Jena verkostet hat und schlägt vor, sie in Darmstadt zu begleiten, weil sie mir etwas Tolles zeigen müsse.
Nach unserer Ankunft steuern Berry und sein Frauchen auf einen Food Truck zu, an dem es selbstverständlich Burger gibt, aber auch ein Gericht, von dem ich wegen seiner Simplizität nie gedacht hätte, dass ich es mal bestellen würde: Kartoffelstampf. Mit Blaukraut und Zwiebeln. Schmeckt fabelhaft. Ich verabschiede mich von der Frau, die jetzt dringend eine neue Spielart von frittiertem Teig mit Oreo-Füllung und Crunch-Hülle probieren muss.
Dem Darmstädter Stadt-Marketing ist auf jeden Fall Großes gelungen, sowohl mit der Glühweinprinzessin Laura als auch mit dem kulinarischen Angebot seines Weihnachtsmarktes. Sie sind sehr fleißig in Darmstadt, was das Marketing betrifft. Mein Hotel befindet sich neben dem Kongress-Center der Stadt. Und dieser Mehrzweckbau heißt nicht etwa Kongress-Center, sondern „Darmstadtium“. Das klingt wirklich hot. In diesem Zusammenhang hätte ich jetzt auch mal eine Idee für Darmstadt. Bisher heißt der dortige Botanische Garten einfach nur Botanischer Garten Darmstadt. Da wird eine Möglichkeit verschenkt, finde ich. Man sollte ihn umbenennen. Wie wäre es mit „Darm-Flora“?

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