251_Brauseköpfe überall
Endlich mal wieder im Kino gewesen. Wir sahen „Ziemlich beste Freunde“ an und fühlten uns gut unterhalten. Tags darauf las ich in der Zeitung, dass diese französische Komödie ebenso erfolgreich wie umstritten sei. Man habe ihr in den USA rassistische Untertöne vorgeworfen, hieß es in dem Artikel. Der schwarze Krankenpfleger namens Driss sei nichts weiter als ein moderner Onkel-Tom, ein serviler aber doofer und übersexualisierter Spaßvogel, der letztlich seinem weißen Meister zu gehorchen habe. Komisch. In dem Film, den ich gesehen habe, gingen so ziemlich alle Pointen auf Kosten des weißen Behinderten und seiner spießigen Umgebung.
Die einzige falsche Note in diesem Film besteht womöglich in seinem kalkuliert gefälligen Soundtrack. Realistisch wäre doch wohl, dass sich der senegalesische Pfleger musikalisch für HipHop oder für Raï oder Mbalax interessiert. Im Film hört er jedoch mit Vorliebe den hausfrauenkompatiblen Discosoul von Earth, Wind & Fire, was angesichts seiner Herkunft aus der Pariser Banlieue wenig glaubhaft erscheint. Aber „Rassismus“ schreit sich natürlich viel besser als „unplausible Musikauswahl“.
Die Menschen regen sich gerne auf. Eine kleine Empörung über schlechte Schnürsenkel wächst sich inzwischen im Nullkommanix zu einer verbitterten Kapitalismuskritik aus. Kleiner geht es nicht. Wenn erregte Bürger erst einmal so richtig in Fahrt sind, kommt es zu prickelnd schäumenden Erregungstumulten. Zum Beispiel wurde der Autor Axel Hacke schon des Öfteren nach Lesungen von wütenden Personen gestellt und beschimpft, weil in einem seiner Buchtitel das Wort „Neger“ vorkommt. Das fanden einige Leute unerhört und sie nannten ihn deswegen einen Rassisten. Gelesen haben sie das Buch ganz bestimmt nicht. Es ist sehr amüsant und handelt davon, dass man sich manchmal im Leben verhört und statt der Liedtextzeile „Der weiße Nebel wunderbar“ so etwas wie „Der weiße Neger Wumbaba“ versteht. Das ist alles. Eigentlich kein Grund zum zornigen Tremolieren.
Das habe ich auch schon einmal erlebt. In Aschaffenburg. Nach einer Lesung stürzte eine Dame auf mich zu und bekrähte mich ausdauernd und laut. Sie sei Tierschützerin und bemühe sich um die Freilassung von Tanzbären. Dann zeigte sie mir Bilder von geschundenen Bären in Gefangenschaft. Ich fragte, was sie von mir wolle, schließlich besitze ich keine Tanzbären und billige auch nicht deren Quälerei. „Oh doch“, rief sie. In einem Buch von mir stehe, dass sich einige der dort beschriebenen Personen mit der schwerfälligen Eleganz von Tanzbären auf einer Kegelbahn bewegten. „Sie machen sich über die gequälte Kreatur lustig“, zeterte sie durchs Theaterfoyer. Das ist Unsinn. Wenn überhaupt mache ich mich über minderbegabte Kegler lustig. Ich sagte, dass ich den Text daher ganz sicher nicht ändern würde und die Frau schrie: „Tierquäler.“
Wenigstens kann man an öffentlichen Orten einfach weggehen. Zuhause ist das schwierig, besonders wenn man Gäste hat. Da wurde auch schon einmal jemand schrecklich wütend.
Es ist schon einige Zeit her. Ein damals noch junger jüdischer Schriftsteller war zu Gast. Die Sonne schien an diesem Tag und er trug ein T-Shirt. Ich lobte seine schönen Arme und sagte dann den fatalen Satz: „Dir würde eine Tätowierung sehr gut stehen.“ Darauf explodierte der Mann im Bruchteil einer Sekunde und schleuderte mir brauseköpfig entgegen: „Jaa! Ich verstehe schon! Am besten eine sechsstellige Zahl! Hier! Am Unterarm.“ Ich schwieg betroffen. Was soll man dazu auch sagen.
Die Komödie „Ziemlich beste Freunde“ hat jedenfalls nicht dazu beigetragen, dass ich rassistische Tendenzen an mir überprüft hätte. Dazu gibt sie auch keinen Anlass. Der Film führte lediglich dazu, dass ich eine alte Platte von Earth, Wind & Fire ausgrub und auflegte. Die Musik gefiel unserem Pubertier Carla ganz gut, besonders der Song „September.“ Der läuft auch im Film. Ich drehte die Anlage auf. Und dann tanzten Carla und ich durchs Wohnzimmer. Was soll ich sagen: Ich bewegte mich mit der schwerfälligen Eleganz eines Tanzbären.