262_Der Osterdeal
Ostern wird ja als Ereignis vollkommen überbewertet. Also natürlich nicht von der katholischen Kirche jetzt, aber zum Beispiel ganz allgemein vom deutschen Kinderarzt, der sich als gesellschaftliche Institution traditionell irgendwo zwischen Pfarrer und Seuchenpolizei einsortieren lässt. Jedenfalls warnte ein Kinderarzt jetzt eindringlich vor Salmonellen. Kinder sollen keinesfalls Eier ausblasen und auch nicht in die Hand nehmen und bemalen. Sie sollen sie vorher zumindest kochen (die Eier, nicht die Hand). Komisch. In meiner Kindheit durfte man so viele Eier auspusten wie man wollte, dabei war die Salmonellengefahr damals bestimmt größer als heute. Allerdings kannte man den Begriff Salmonelle zu der Zeit noch nicht so. Und wenn, dann hat man ihn entweder mit Lakritz oder kleinen salzigen Fischen verwechselt. Nun jedoch ist die Salmonelle in aller Munde und alleine das macht Ostern schon zu einem hochgefährlichen Event. Vielleicht wird das Ausblasen von Eiern ja sogar bald verboten, ähnlich wie das Bleigießen an Sylvester. Irgendwie hat man den Eindruck, die Gegenwart sei zwar sicherer, aber nicht unbedingt unterhaltsamer als die Vergangenheit.
Ähnlich wichtig wie für Kinderärzte ist Ostern nur noch für unseren Sohn Nick. Der ist nun neuneinhalb und gliedert das Jahr in folgende wesentliche Ereignisse: Fasching, Ostern, Sommer, Geburtstag, Nikolaus, Weihnachten und Sylvester. Die Kriterien für die Aufnahme von Lebensmomenten in diese Reihe sind simpel. Entweder, es ist Action angesagt (Fasching, Sommer, Sylvester) oder es gibt Geschenke (Ostern, Geburtstag, Nikolaus, Weihnachten).
Nick ist in diesem Zusammenhang ausgesprochen sauer darüber, dass wir nicht katholisch sind. Auf diese Weise entgehen ihm jährlich Präsente zum Namenstag, den er ähnlich ausschweifend feiern würde wie die Ägypter die Eröffnung des Suezkanals.
Gänzlich mit Zorn erfüllte ihn außerdem letztes Jahr die Erkenntnis, dass ihm durch unsere säkulare Lebensführung auch noch die Kommunion durch die Lappen ging. Sie wurde ringsherum in unserem bayerischen Dorf mit geradezu päpstlichem Aplomb begangen. Nicks katholische Schulfreunde trugen anschließend maßlose und meist batteriebetriebene Geschenke in die Schule. Nur vier Kinder aus der Klasse waren neben Nick vom Fest der heiligen Erstkommunion ausgenommen, nämlich ein ratloser kleiner Hindu, ein protestantischer Sohn von Amerikanern sowie die beiden Söhne des arabischen Schneiders.
Unser Sohn betrachtet es geradezu als elterliches Mobbing, dass wir nicht katholisch sind und übergab mir kürzlich etwas, das ich zunächst für eine Protestnote hielt. Doch dann stellte sich heraus, dass es sich um eine Wunschliste handelte. „Was soll das?“, fragte ich ihn. „Ostern gibt es nur Kleinigkeiten, keine Riesengeschenke.“ Nick verschränkte die Arme und sagte: „Doch.“ Dann führte er aus, dass es keinen Sinn habe, mit ihm darüber zu diskutieren. Die meisten Positionen auf der Liste seien auch nicht wegen Ostern drauf, sondern wegen der neun Namenstage, die man noch hinterherherhinke.
„Wir feiern keine Namenstage “ sagte ich. „Wir sind nicht katholisch!“
„Ich schon“ sagte Nick. „Ab sofort bin ich katholisch, Mit allem Drum und dran.“
„Was heißt denn mit allem Drum und Dran?“ fragte ich linkisch.
„An Gott glauben, in der Kirche mithelfen, Altpapier sammeln und die CSU wählen,“ kam es wie aus der Pistole geschossen. Er hatte sich offenbar informiert. Ich bin sehr begeistert davon, wie sehr unser Nick sich mit der katholischen Kirche auseinandergesetzt hat. Und natürlich bekommt er alles, was er sich wünscht. Aber nur, wenn er jeden Sonntag in die Kirche geht und brav den Weihrauchpümpel schwenkt. Wollen doch mal sehen, wer am längeren Hebel sitzt.