296_vergeudete Energie
Die Deutschen sind für ihr Leben gerne sauer. Wer diese Behauptung für eine unbewiesene Schnurre hält, sollte mal durchs Land reisen. Bei der Gelegenheit bekommt man eine Menge mit, insbesondere durch die Lektüre von Lokalzeitungen. Darin steht, was die Menschen gerade empört. Interessant dabei: Mit beinahe keiner anderen Untat kann man die Deutschen so schnell auf die Palme bringen wie mit der Verschwendung ihrer Steuern. Diese schlimmsten aller Vergeudungen anzuprangern bildet den Daseinszweck des Bundes der Steuerzahler. Dessen Mitglieder stammen aus dem Milieu mittelständischen Wirtschafts-Homunkeltums und die Veröffentlichung neuer Erkenntnisse wird stets von dem finsteren Hinweis begleitet, es drohe ein Eintrag in das Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung.“
Die Aufregung über Steuerverschleuderungen ist an jedem Ort Deutschlands gleich temperiert, ganz egal wie groß die Stadt und wie hoch der dort verplemperte Steuerbetrag ist. Man kann dies auf eine simple, aber belastbare Formel bringen: Große Städte = große Verschwendung = große Empörung. Und: Kleine Städte = kleine Verschwendung = ebenfalls große Empörung. Man erhält einen Eindruck von dieser Beobachtung, wenn man einmal vom Großen ins Kleine blickt. Betrachten wir also zunächst Berlin. In der Spreemetropole mit 3,5 Millionen Einwohnern regt man sich anhaltend und fürchterlich über den neuen Flughafen auf, der knapp zwei Milliarden Euro teurer wird als geplant. In der kleineren Elbmetropole Hamburg kostet die Philharmonie womöglich 300 Millionen Euro mehr als ursprünglich angenommen. Interessanterweise ist aber die Erregung genau dieselbe.
Auch in Düsseldorf. Die 600 000 Bürger der Rheinmetropole gehen steil, wenn man sie auf den „Kö-Pavillon“ anspricht. So nennen sie dort im typischen Düsseldorfer Bauherrenjargon
eine Info-Bude mit Aussichtsplattform. Von dort hat man einen zauberhaften Blick auf eine Großbaustelle in der Innenstadt. Um diesen weiterhin zu gewährleisten, musste das Ding kürzlich um knapp hundert Meter versetzt werden. Das hat 880 000 Euro gekostet. Jetzt sind die Düsseldorfer genau so sauer wie die Menschen in Hamburg und in Berlin. Und in Fulda.
Diese Stadt ist wiederum kleiner und der Grund für die Verstimmung der dortigen Bürger ist abermals weniger kostspielig, aber die Wut erstaunlicherweise wieder exakt genau so groß. Was den Berlinern ihr Flughafen, ist den Fuldaern ihr Wackelhund. Die hessischen Steuerzahler geraten in Gefechtserregung, wenn man sie auf die ungeschlachten Klötze anspricht, die bei ihnen in der Innenstadt rumstehen. Nach Ansicht der Verwaltung handelt es sich dabei um hölzerne Hunde, die aufgestellt wurden, damit Kinder darauf schaukeln können. Die Besteigung der kantigen Köter ist jedoch ohne jeden abenteuerlichen Reiz, weil diese fest im Boden der Fußgängerzone verankert sind und kein bisschen schaukeln. Die starren Schnauzer haben 13500 Tacken gekostet und niemand kann darauf herumwackeln, nicht einmal der Bürgermeister der Fuldametropole.
Noch kleiner, aber nicht weniger erbost gibt sich die Bürgerschaft von Wolfratshausen. Dort wurde eine Schranke installiert. Vor einem Parkplatz. Na sowas. Für Manche der 18000 Einwohner der Loisachmetropole stellt das Ding ein kaum überwindbares Hindernis dar. Bereits der Umstand, dass sich die höllische Sperre erst öffnet, nachdem man seinen bezahlten Parkschein wieder herausgezogen hat, führt zur Überforderung der Wolfratshauser und zum Vorwurf der Verschwendung bei der Anschaffung der Anlage.
Die Parkscheinautomaten der Stadt bieten zudem den Service einer so genannten „Brötchentaste“. Wer die „Brötchentaste“ drückt, weil er nur schnell zum Bäcker möchte, darf für eine kurze Weile kostenlos parken. Das ist nett, gefällt aber der CSU nicht. Sie hat im Stadtrat verlangt, dass sämtliche Beschriftungen ausgetauscht werden sollen. Zukünftig habe dort gefälligst „Semmeltaste“ zu stehen, verlangt die CSU. Schließlich sei man in Bayern. So. Und wer zahlt’s? Wir! Die kleinen Steuerzahler. Eine Schweinerei. Wenn es nicht so komisch wäre.