297_Showdown im Advent
Vor uns lagen zwei Einladungen aus der Nachbarschaft. Und eine schwere Entscheidung. Wo sollten wir hingehen? Zur Adventsparty bei Dattelmanns oder zum Ehepaar Schenk? Ich mag die Schenks. Nette kinderlose Leute, die gerne reisen, sich aber nicht mit Dias aufdrängen. Außerdem kochen sie gut. Und sie spielen auf ihren Einladungen leise Musik, die nichts mit Weihnachten zu tun hat. Am liebsten würde ich bei ihnen einziehen. Ich habe Sara schon gefragt. Sie hat im Prinzip nichts dagegen, aber Schenks sind eben viel verreist und dann gibt es nichts zu Essen. Also bleibe ich bei meiner Familie. Mit Dattelmanns ist es anders. Ich habe Angst vor Ulrich Dattelmann. Er ist der Chef der Schulpflegschaft und er teilt die anderen Eltern zu Frondiensten ein. Wenn man nicht auf seiner Adventsparty erscheint, kann es sein, dass man beim Schulfest zur Strafe zwei Stunden lang bei 40 Grad im Schatten die Bälle aus der Torwand fummeln oder 3000 Luftballons aufpusten muss.
Die Adventspartys der Schenks und der Dattelmanns fanden erstmals gleichzeitig statt. Früher hatten sie sich terminlich noch abgesprochen. Dann feierten die Einen zum ersten und die Anderen eben vor dem dritten Advent. Das war gut, denn das Publikum überschneidet sich weitgehend und niemand musste sich für oder gegen die Schenks oder die Dattelmanns entscheiden. Im ersten und zweiten Jahr hatten die Schenks eindeutig die Nase vorn: Bei ihnen gab es die bessere Musik und wunderbares Essen. Insbesondere die Gulaschsuppe wurde allgemein hochgelobt. Im dritten Jahr haute Ulrich Dattelmann dann plötzlich ein Gulasch raus, dass uns allen die Spucke wegblieb. Das war ein regelrechtes Gulasch-Donnerwetter. Jedenfalls gab es zwei Wochen später bei Schenks kein Gulasch mehr, sondern eine Kartoffelsuppe. Dattelmann arbeitete auch an der Musik. Anstatt wie in den ersten Jahren stundenlang „Kuschelrock-Christmas“ zu dudeln, besorgte er sich drei anständige CDs, die unauffällig im Hintergrund liefen. Er richtete eine beheizte Raucher-Lounge auf der Terrasse ein und bot drei verschiedene Whiskys an. Und Gin Tonic, Bier, Rotwein. Es war eine regelrechte Kampfansage an die Schenks.
Die legten nach, indem sie sich das Essen bringen und eine Schneebar bauen ließen und einen Barmann engagierten, der mit Shakern jonglieren konnte. Sie buchten zudem eine dreiköpfige Band, die zwei Grammys gewonnen hatte. Im Jahr danach waren die Schenks dann mehr zu Hause. Man erzählte sich, sie könnten sich die langen Reisen nach dieser Party nicht mehr leisten. Und in diesem Jahr nun stellten uns die Schenks und die Dattelmanns vor die Wahl. Beide Partys fanden am selben Abend vor dem ersten Advent statt. Es war der Party-Showdown. Die Gastgeber-Paare wollten es wissen: Zu wem gehen die Nachbarn? Und wer würde am Ende auf der Gewinner-Party rumstehen, wer bei den ewigen Verlierern? Sara und ich schoben die Einladungen auf dem Küchentisch herum. Ich schlug vor, mich bei Dattelmanns zu opfern. Sara könnte dann zu den Schenks. Sie führte dagegen ins Feld, dass das wahrscheinlich sehr viele Paare machen würden. Und auf den beiden Partys säßen dann lauter halbierte Ehen herum.
Wir trafen dann eine sehr salomonische Entscheidung. Ab 19 Uhr waren wir bei Dattelmann, der die ganze Zeit in seinem Wohnzimmer stand und durchzählte, um zu rekapitulieren, wer nicht da war. Um 21 Uhr nahmen wir unsere Jacken und ich verabschiedete mich mit der Ankündigung, jedes Jahr wieder gerne zu kommen und es sei ja doch bedeutend netter als bei den Schenks. Mit uns gingen noch weitere Gäste, die sich nun geschlossen auf den Weg zu Schenks machten. Auf der Straße trafen wir etwa ein Dutzend Nachbarn, die von dort gerade zu Dattelmanns liefen. Sie empfahlen uns die Maronensuppe und machten allesamt einen unglücklichen Eindruck.
Eine gute Stunde später hatten die Schenks und die Dattelmanns ihre Gäste komplett ausgetauscht. Wir unterhielten uns mit denselben Leuten wie vorher, nur in einem anderen Wohnzimmer. Das hat mir richtig gut gefallen. Ich bin mal gespannt, was die Schenks und die Dattelmanns sagen, wenn ich nächstes Jahr ins Rennen einsteige.