Mein Leben als Mensch — 31.08.2017

540_Geschenkideen

Zu den großen Tricks geiziger oder mittelloser Schenker gehört die Überreichung eines Gutscheines. Die Finte besteht darin, dass man hoffen kann, dass der Beschenkte niemals vom Coupon Gebrauch machen wird, weil er ihn verlieren oder vergessen wird. Ich habe jedenfalls noch nie erlebt, dass jemand mich zum Einlösen eines Gutscheines gedrängt hätte. Am wenigsten meine Kinder.
Nick und Carla haben mir schon viele Gutscheine geschenkt. Sie begründeten dies mit ihrem schmalen Budget und ich fühlte mich jedes Mal richtig groß beschenkt, denn die Gutscheine versprachen enorme, ja im Grunde genommen unbezahlbare Dienstleistungen. Eine Rückenmassage. Ein Abendessen. Einen ganzen Tag lieb sein. Einen langen Spaziergang machen. Ohne Meckern aufräumen. Einen Korb Wäsche bügeln. Mit dem Hund rausgehen. Der Hund ist inzwischen gestorben und diesen Gutschein kann ich gar nicht mehr einlösen. Aber auch sie anderen Gutscheine will und werde ich niemals vorzeigen, um Leistungen einzufordern, denn: Sie sind so schön.
Die damals vielleicht siebenjährige Carla übergab mir einmal ein ganzes Gutscheinheft. Sie hatte jeden der visitenkartengroßen Scheine illustriert, ein Loch in alle oberen linken Ecken gestanzt, eine dünne Kordel hindurchgezogen und diese kunstvoll verknotet. Seit elf Jahren hängt dieses Heftchen in meinem Büro und ist schon ganz vergilbt. Sie weiß natürlich genau, dass ich keinen Gebrauch von diesen Zettelchen machen würde und in gewisser Weise schmälert es ihre Anstrengung, mir etwas von Wert zu schenken, aber ich bin zu schnell gerührt, als dass mich solche Gedanken argwöhnisch werden ließen.
Auch Nick schenkt gerne selbstgemachte Voucher, ist in dieser Hinsicht aber aus einem ganz anderen Holz geschnitzt als seine Schwester. Während Carlas Gutscheine Angebote darstellen, die man zumindest theoretisch annehmen könnte, hat Nick ganz offensichtlich nicht die Absicht, mir etwas zu schenken, was ich wirklich gebrauchen könnte, geschweige denn haben wollen würde. Seine Gutscheine stellt er am Rechner her.
Auf dem von meinem letzten Geburtstag stand: „Gutschein für einen feuchten Fuzzi.“ Zu Weihnachten bekam ich von ihm einen Coupon für eine Marsreise (nur Hinweg). Und an Ostern erfreute er mich damit, dass er auf Bestellung für mich während der nächsten längeren Autofahrt seine Lieblingssongs von Bushido, Shindy und den Höhnern zum Besten geben würde. Sowas hat er als ganz kleiner Junge auch schon gemacht, aber damals kannte er nur zwei Lieder, nämlich „Finger im Po, Mexiko“ und „Tanze Samba mit mir.“ Er sang die Songs abwechselnd und so lange, bis Sara die Nerven verlor und damit drohte, ihn an der nächsten Raststätte an holländische Camper zu verkaufen. Jedenfalls habe ich den HipHop-Gutschein ebenso wenig eingelöst wie sein Angebot, einen Tag lang zu jodeln.
Das ganze Thema kam heute morgen zur Sprache, weil die Kinder wissen wollten, was ich mir eigentlich zu meinem fünfzigsten Geburtstag wünsche. Offensichtlich wollen sie mich ernsthaft beschenken. Das fand ich sehr rührend und machte ein paar Vorschläge. Aber sie lehnten alles ab. Zu doof, langweilig, Opageschenk, uncool. Damit hatten sie vollkommen recht. Denn ich möchte eigentlich gar nichts Richtiges von ihnen. In Wahrheit möchte ich gestaltete Gutscheine, die ich aufhebe und auf keinen Fall jemals einlöse. Es sind meine Lieblingsgeschenke.