542_Bedingt abwehrbereit
Es gab mal eine Zeit, da wollte unser Sohn Nick zur Bundeswehr. Das hatte mit seiner Vorstellung von Kampfanzügen zu tun. Als er feststellen musste, dass so eine Montur weder über eingebaute Laserwaffen, noch über ausfahrbare Spinnennetze und auch nicht über Vorrichtungen zum Abschuss von atomaren Mittelstreckenraketen verfügt, erlahmte sein Interesse an der Bundeswehr deutlich, was mir als Wehrdienstverweigerer natürlich gefiel.
Obwohl ich selber dort nie mitgemacht habe, habe ich ein Interesse an der Vitalität und personelle Ausstattung unserer Truppe. Man möchte ja im Verteidigungsfall auch als Pazifist tüchtig verteidigt werden. Und was man da aber seit einiger Zeit in den Medien hört und liest, klingt beunruhigend. Da ist von flugunfähigen Jets und veralteten Panzern die Rede. Von klemmenden Sturmgewehren und miserabler Verpflegung, weil nicht mal die Gulaschkanonen richtig feuern. Und dann die Soldaten selbst. Momentan präsentieren sie sich der Öffentlichkeit als Horde von Dummköpfen, die bei Feiern im Kollegenkreis den Hitlergruß zeigen, die Stuben mit Wehrmachtsdevotionalien schmücken und sich als Flüchtlinge tarnen, um Attentate vorzubereiten. Ich kann mich täuschen, aber vor dreißig Jahren war die Bundeswehr nicht so absturzgefährdet wie heute, oder?
In früheren Zeiten, also zur Zeit meiner Wehrdienstverweigerung, war der Krieg im Großen und Ganzen eine Aufgabe für gesunde Kerle. Es gab sogar eine Art Eignungstest, die so genannte Musterung, an welcher alle jungen Männer teilnehmen mussten. Die Älteren werden sich erinnern. Wenn man ein schwaches Herz oder einen zu dicken Po hatte, konnte es sein, dass man ausgemustert oder zurückgestellt wurde. Stark kariöse Anwärter durften nicht fliegen, Riesen nicht ins U-Boot. Die Rekruten waren dann ein Spiegel der Gesellschaft und die Truppe setzte sich aus Mitgliedern sämtlicher Bevölkerungsschichten zusammen. Es gab Kritische und Unkritische, Arme und Reiche, Starke und Schnelle und Drückeberger und Ehrgeizlinge unter den Wehrpflichtigen.
Und heute? Sind sie offenbar froh, wenn sich überhaupt jemand meldet, um Kanonenrohre gerade zu biegen oder Panzer abzustauben oder Bier-Pong zu spielen. So richtig wählerisch scheinen sie bei der Bundeswehr nicht mehr zu sein, besonders, was die Gesinnung der Kameraden betrifft. Ich glaube, selbst der Hochadel, der früher immer für ein Hackenknallen gut war, hat sich von der Truppe verabschiedet. Übrig geblieben sind anscheinend die, die sonst nicht recht wissen wohin mit sich. Und eine größer werdende Bevölkerungsgruppe, die man früher immer über den Schulhof gejagt hat, die früher nicht mal ins Bierzelt gelassen wurde und die bei der Bundeswehr in keine Hose passt, dort aber eine immer größere Rolle spielt, weil sie sich mit Computern und Programmcodes auskennt und aus jahrelanger Konsolenspielerfahrung weiß, wie man eine Drohne fliegt.
Um die bestürzende Abwärts-Entwicklung des Verteidigungsapparates aufzuhalten, könnte ich mich freiwillig melden, aber ich würde bei der Musterung scheitern. Und zwar an meinen Strümpfen. Ich habe mir nämlich jüngst bei Amazon Socken bestellt, und zwar ohne Gummibündchen, denn ich mag es nicht, wenn ich abends eine halbe Stunde lang diese geriffelten Abdrücke am Bein habe. Die Strümpfe kamen und ich zog sie an und sie sorgen seitdem für große Heiterkeit in meiner Familie, denn es steht groß „Diabetikersocke“ drauf. Wenn man damit zur Musterung geht, wird man bestimmt gleich heimgeschickt.