547_Die Wahlbombe
Meine Laune war auch schon besser als am vergangenen Sonntag. Ich war wirklich richtig schlechter Stimmung. Vor vier Jahren war sie an der Fünfprozenthürde gescheitert und galt als politisch unfähig und überflüssig. Aber nun ist sie im Bundestag. Die FDP. Wobei ich finde, dass deren Comeback gut zu verschmerzen ist. Ihr Spitzenpersonal strahlte am Wahlabend aber auch eine sympathische Lebensfreude aus, das muss man sagen.
Wolfgang Kubicki zeigte sich regelrecht feierbiestig und erklärte, er werde nach den ersten Interviews einen trinken. Dabei sah er aus, als habe er bereits den ganzen Sonntag hindurch nichts Anderes gemacht. Und Christian Lindner war gut und schlagfertig in der Berliner Runde. Das sind fabelhafte Voraussetzungen für ein Amt als Außenminister. Vielleicht schickt ihn seine Chefin gleich auf Dienstreise, so für vier Jahre.
Wesentlich schwerer als der Triumph der FDP wiegt jener der AfD. Der Sieg dieser politischen Drückerkolonne besteht vor allen Dingen darin, dass er vielen Menschen Angst macht. Das liegt an den fürchterlichen Sprüchen, mit denen sich die AfD-Anführer immer wieder in die Medien wanzen. Dann ist zum Beispiel davon die Rede, dass die Deutschen ihren Schuldkomplex loswerden müssten. Gemeint ist damit offenbar das, was die klügeren unter uns Erinnerungskultur nennen. Diese hat übrigens nicht in erster Linie etwas mit dem mulmigen Gefühl zu tun, wenn man für zwei Euro einen Audioguide in der KZ-Gedenkstätte ausleiht. Sondern mit einem Bewusstsein dafür, dass unser Land heute so ist wie es ist, weil es vor achtzig Jahren so war wie es war. Wer diese Zusammenhänge aus den Lehrplänen der Schulen streichen will, vergeht sich an der Vergangenheit – und an der Zukunft. Das zu erkennen erfordert leider bereits ein gewisses Maß an Bildung, die in der AfD und leider in ihrer Wählerschaft offenbar fehlen. Anders sind die 12,6 Prozent nicht zu erklären.
Dieses Ergebnis wurde auch mit der Forderung errungen, man möge stolz sein auf die Leistungen der Wehrmacht. Dazu befragt man doch am besten Angehörige der Wehrmacht, aber das ist nicht ganz einfach, denn die allermeisten von denen sind tot. Auch wenn Gauland aussieht, als sei er dabei gewesen: Er war bei Kriegsende vier Jahre alt und hat sicher weniger Ahnung von der Wehrmacht als mein Großvater. Er ist vor ein paar Jahren mit 99 gestorben. Stolz hat es ihn nicht gemacht, als Stoppelhopser im Auftrag einer mörderischen Ideologie durch Russland geschubst zu werden. Er hat dort furchtbare Dinge gesehen und ich glaube, er hätte sich gerne mit den Spinnern von der AfD darüber unterhalten.
Vielen macht das braune Geplapper der AfD Angst. Sie denken dabei sofort an Braunhemden, brennende Bücher und splitterndes Glas und befürchten, dass die Leugnung des Holocausts eines Tages salonfähig wird, wenn man jetzt nicht gegen die Volksverhetzungen der AfD vorgeht. Vielleicht ist da was dran. Andererseits haben mir meine Kinder am Ende des Wahlabends diese Zukunftssorgen genommen. Carla und ihre Freunde lassen den AfD-Stuss nämlich dort, wo er hingehört: Im Bereich der Realsatire. Carla lachte über „den Oppa mit der Försterkrawatte“. Und als dieser gezeigt wurde, wie er seinen furchtbaren Satz vom Zurückerobern des Landes und des Volkes schrie, da sagte Carla nur: „Von welchem Volk redet der da?“ Carla und ihre Freunde gehören Gaulands Volk nicht an. Sie sind Europäer und ihr Land hat keine Grenzen. Für sie ist die AfD etwas ähnlich altmodisches und abstruses wie eine Rabattmarke oder eine Videocassette oder ein graues Wählscheibentelefon.
Dann kam Nick in dem Moment vom Oktoberfest, als die Kanzlerin ihren Sieg auf einem Podium feierte. Mit ihr standen weitere Größen der CDU auf der Bühne. Ich fragte Nick, ob er sich angesichts des Wahlausgangs Sorgen um die Demokratie mache und er antwortete launig, dass er sich höchstens Sorgen mache um den Typ hinter der Merkel. Der habe einen Kopf wie eine nordkoreanische Wasserstoffbombe und explodiere wahrscheinlich bald. Dass sei ein klarer Fall von Foto-Bombing. Und da hatte Nick recht. Es steht offenbar ernst um Karl-Josef Laumann von der CDU. Sein Kopf ist 4000 Grad heiß, er könnte jeden Augenblick in die Luft gehen. Da muss man sich wirklich Sorgen machen.